Am diesjährigen Concorso d’Eleganza Villa d’Este (2011) gewann der Alfa Romeo 33 Stradale die begehrte “Best in Show” Trophäe. Angetreten war er in der Kategorie “the birth of the supercar” (Geburt des Super(sport)wagens). Diese Einteilung charakterisiert den flachen Italiener als das, was er war: Superschnell, superexotisch und superteuer.
Das schönste Coupé der Sechzigerjahre?
Franco Scaglione schuf sich mit dem Alfa Romeo 33 Stradale ein Denkmal. Der Entwurf gehört wohl zu den schönsten Fahrzeugen der Automobilgeschichte und überzeugt auch heute noch durch ausgewogene Proportionen und die geschickte Kombination von Karosseriewölbungen und Glasflächen.
Das Fahrzeug wurde nicht bei Alfa Romeo selber gebaut, sondern bei Autodelta, einer kleinen Manufaktur, die Carlo Chiti im Vorort Settimo Milanese aufgebaut hatte und die 1968 gerade einmal 85 Mitarbeiter beschäftigte. Der Haupterwerb von Autodelta bestand im Bau von Sportwagen und in der Unterstützung von Rennwagen, vor allem GTAs und ähnlichen Rennfahrzeugen, rund um die Welt.
Fast überirdische Fahrleistungen
Kein 1968 käufliches Strassenfahrzeug konnte den stehenden Kilometer schneller durcheilen als ein Alfa Romeo 33 Stradale. Bei 24,0 Sekunden stoppten die Uhren von Auto Motor und Sport beim vermutlich einzigen deutschsprachigen Test des Fast-Rennwagens aus Mailand.
Nur zwei Liter Hubraum benötigte der flache Trentatre (für 33) für diese Meisterleistung, die Konkurrenten wie Lamborghini Miura, Ferrari Daytona oder Maserati Ghibli bemühten durchwegs das Doppelte an Zylinderinhalten und konnten den roten Flitzer von Alfa Romeo trotzdem nicht halten.
Die Höchstgeschwindigkeit von “nur” 252 km/h zeigte dann allerdings die Grenzen des hochdrehenden Alfas, die zwar imposante 230 PS bei schwindelerregenden 8’800 U/min erzeugten, welche aber eben bei der Höchstgeschwindigkeit, wo das Leistungsgewicht nicht mehr relevant ist, gegen die stärkeren Fahrzeuge aus Modena oder Santa Agata nicht mehr ankamen.
Eigentlich ein Rennwagen fast ohne Kompromisse
Die Strassenversion folgte der Rennversion. Diese hatte als 33/2 bereits 1967 angesetzt, die Sportwagenweltherrschaft zu erkämpfen, allerdings war der Anfang nicht gerade leicht. Mit dem hochdrehenden V8-Zweilitermotor mit Doppelzündung, 90-Grad-Zylinderwinkel und vier obenliegenden Nockenwellen konnte man zwar Klassensiege einfahren, aber für Gesamtsiege fehlte meist die Leistung. Der Rennwagen, 33/2 genannt, der in verschiedenen Technik- und ständig weiterentwickelten Chassis-Konfigurationen in insgesamt rund 24 Exemplaren gebaut wurde, bot die Basis für den 33 Stradale.
Gegenüber dem Rennwagen legte der Stradale allerdings in Länge und Gewicht zu, unter anderem weil allzu teure Materialien (Stichwort Elektron) durch schwere günstigere ersetzt wurden und der Radstand verlängert wurde. So wog der Strassensportwagen am Ende über 700 kg, Auto Motor und Sport gab gar 870 kg für den vollgetankten Testwagen an.
Die Leistung sank durch Wechsel der Einspritzanlage von 270 auf 230 PS, wobei sogar bei den Strassenfahrzeugen auch 250 PS möglich waren, man musste einfach höher drehen, sprich in die Nähe der sagenhaften 10’000 U/min gehen, die auch bei den Rennwagen das Limit waren.
Die schnellen Geschwister von der Rennstrecke
Der bereits erwähnte 33/2-Rennwagen wurde schon 1969 durch den 33/3 mit 3-Liter--Maschine ergänzt. Dem folgte der 33/3TT, wobei das “TT” für “Telaio Tubolare” steht, also für den Gitterrohrrahmen aus Aluminiumrohr-Profilen. Ihm wiederum folgte der 33TT12, der nun einen 12-Zylinder-Boxermotor mit drei Liter Hubraum aufwies. Mit diesem Auto wurde Alfa Romeo im Jahre 1975 Sportwagen-Weltmeister.
1977 wurde mit dem 33SC12 die letzte Evolutionsstufe gezündet, mit kastenförmigem Chassis und 520 PS aus den drei Litern Hubraum, die der Zwölfzylinder-Boxermotor abgab. Nochmals wurde Alfa Romeo mit diesem Wagen Sportwagenweltmeister.
Nicht wirklich alltagstauglich?
Dass derart prägnante Renn-Gene Auswirkungen auf den Alltagseinsatz des 33 Stradale gehabt haben dürfen, versteht sich von selber. Manfred Jantke von Auto Motor und Sport schrieb: “Strada-Fahren im Verkehr macht weiss Gott keinen Spass. Für die Strasse ist die Strassenversion nur geeignet, solange es sich bei dieser um eine Rennstrecke handelt. Die Federung ist vollkommen durch Strassenlage ersetzt, das Fahrgeräusch besteht aus einem gellenden Ansauggeräusch, und bei Sonnenschein erwärmt sich das Cockpit bis auf Saunatemperatur.
Alltagsprobleme schafften wohl aber auch die fehlenden Schlösser, die fehlende Bodenfreiheit, Startschwierigkeiten und nicht gerade parkierfreundliche Unübersichtlichkeit.
Dabei hatte der Wagen auch viele guten Eigenschaften. Lenkung, Kupplung und Schaltung erfordern ganz zivile Bedienungskräfte und selbst 1,85 Meter grosse Piloten fanden Platz im eng geschnittenen Coupé.
Eher schmerzlich war da der Verbrauch von rund 30 Liter Superbenzin oder die Neigung der 16 Zündkerzen, zu verrussen, wenn die Strasse kein zügiges Vorwärtskommen erlaubt.
Weil viele Besitzer mit den Eigenschaften des 33 Stadale nicht klarkamen, landeten viele der Fahrzeuge schon früh in Museen und Sammlergaragen und wurden kaum bewegt.
Der Alfa Romeo 33 Stradale als Filmstar
Im Film “Un Bellissimo Novembre” aus dem Jahre 1969 von Mauro Bolognini macht ein 33 Stradale in mehreren Szenen seine Aufwartung. Beim Film-Auto handelte es sich um den Prototyp, der einen oben montierten Scheibenwischer und vier anstelle der bei den “Serienfahrzeugen” zwei Scheinwerfern unter den Plexiglas-Abdeckungen aufwies.
Ach ja, Gina Lollobrigida spielt neben dem grossartig auftretenden Alfa Romeo 33 Stradale auch noch eine unbedeutende Hauptrolle.
Verschwommene Produktionshistorie
Über die genaue Anzahl der gebauten 33 Stradale sind sich die Historiker und Experten nicht einig. Vermutlich 18 Chassis wurden gebaut, allesamt mit 750.33.1xx-Chassis-Nummern, und es wird davon ausgegangen, dass bei Marazzi zwölf oder dreizehn dieser Chassis mit der von Scaglione entworfenen Aluminiumkarosserie eingekleidet wurden.
Die einzelnen Fahrzeuge unterscheiden sich in verschiedenen Details, sei es im Einsatz von Chrom, in der Gestaltung von Lüftungsöffnungen oder in der Anordnung von Armaturen und Knöpfen im Interieur.
Die nicht in Stradales verwandelten Chassis gingen an die italienische Fahrzeugdesign Haut Couture, Bertone, Pininfarina und Italdesign.
Das Chassis als Basis für Design-Prototypen
Das 33-Stradale-Chassis eignete sich nachgerade hervorragend für den Aufbau von Einzelstücken und Designprototypen, da es weitgehend selbsttragend war und dank flacher Bauweise viel Freiheit bei der Gestaltung der Aufbauten bot.
Bereits 1968 präsentierte Pininfarina den P33 Roadster, einen offenen keilförmigen Sportwagen mit kombiniertem Überrollbügel/Luftleitwerk in Kontrastfarbe. Im gleichen Jahr entstand der dunkelgrüne Bertone Carabo, ebenfalls keilförmig, aber geschlossen und mit Flügeltüren ausgerüstet.
Im Jahr darauf zeigte Pininfarina den Prototipo Speciale, ein wohlgeformtes Flügeltüren-Coupé mit Klappscheinwerfern in hellgelber Farbgebung, den vermutlich schönsten 33-Prototyp überhaupt.
Ebenfalls 1969 liess Giorgo Giugiaro den Italdesign Iguana auf dem Turiner Autosalon im November aufstellen. Hier handelte es sich um ein geschlossenes Coupé, das ähnlich wie später der DeLorean DMC-12 mit gebürstetem Edelstahl beplankt war, als Entwurf aber nicht überzeugte.
1971 schob Pininfarina dann noch den Alfa Romeo 33 Spyder Prototipo Speciale nach, wiederum keilförmig und praktisch ohne Rundungen auskommend.
Den Schluss machte Bertone 1976, als er mit dem Navajo ein interessant gestaltetes geschlossenes Coupé mit integriertem Heckflügel und innovativem Armaturenbrett-Design vorstellte.
Wertmässig schwer einschätzbar
Schon neu war der schöne Mailänder ein exklusives Vergnügen. 17’000 Dollar, 70’000 Mark oder 9’750’000 Lire musste man damals anlegen, wenn man in Balocco einen durchwegs rot gespritzen Trentatre übernehmen wollte, mehr Geld also, als Ferrari oder Lamborghini für ihre Sportwagen verlangten. Kein Wunder blieb der Besitzerkreis da klein.
Alfa Romeo 33 Stradale werden kaum je gehandelt, der Wert dürfte, nicht zuletzt auch durch die erfolgreiche Teilnahme am Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2011 in namhaften siebenstelligen Grössenordnungen liegen. Aber auch wenn man den meisten noch fahrbaren Coupés inzwischen einigermassen gute Manieren beigebracht hat, werden diese Autos auf den Strassen so selten zu sehen sein, wie ein Regenbogen in der trockenen Wüste. Schade!
Chassis-Nummern und Informationen zu einzelnen Fahrzeugen
Chassis-Nr. | Karosserie | Kommentar |
---|---|---|
750.33.01 | Stradale | Der Stradale Prototyp steht heute in Japan, Galleria Abarth |
750.33.101 | Stradale | Erster ausgelieferter Wagen an Henry Wessels III, Belgien |
750.33.102 | Stradale | Soll in Frankreich sein, ist aber in Deutschland |
750.33.103 | Stradale | Corsa ex Tony Fischhaber, ex Rosso-Bianco Museum, Deutschland |
750.33.104 | Stradale | Ex Graf Dönhoff, Sieger am CdE Villa d'Este 2011 |
750.33.105 | Stradale | Steht in Deutschland |
750.33.106 | Stradale | Corsa, ex Laureati, Deutschland |
750.33.107 | Stradale | Corsa, mit Magnesium-Chassis, Kunststoffkarosserie, Renngetriebe und Daytona-Motor (Spica-Einspritzung, 270 PS) ein Semi-Rennwagen, zuletzt Neuseeland |
750.33.108 | Designer-Prototyp | Pininfarina Cuneo Spider, Museo Storico |
750.33.109 | Designer-Prototyp | Bertone Carabo, Museo Storico |
750.33.110 | ? | |
750.33.111 | Stradale | Ex Conde Agusta, war orginal blau lackiert, Hayashi, Japan |
750.33.112 | ? | |
750.33.113 | Stradale | Umnummeriert zu #750.33.133 Lawrence Auriana, Canada |
750.33.114 | Rennwagen | Wettbewerbsfahrzeug 33TT12, mit V8 Motor, 'Giro d'Italia Coupe', Joe Nastase, USA |
750.33.115 | Designer-Prototyp | Pininfarina P33 Coupe, Museo Storico |
750.33.116 | Designer-Prototyp | Giugiaro Iguana, Museo Storico |
750.33.117 | Designer-Prototyp | Bertone Navajo, Museo Storico |
750.33.118 | ? | |
105.33.12 | Stradale | Nachbau des Museo Storicos. Wagen wurde Ende der Siebzigerjahre auf einem gebrauchten Magnesium/Corsa Chassis aufgebaut. |
Die obige Liste konnte dank der Mithilfe des Automobil-Historikers Jörg Diesfeld erstellt werden. Die drei Fahrzeuge mit "?" sind möglicherweise nie gebaut worden, sie sind sozusagen die Dunkelziffer.
Weitere Informationen
- Auto Motor und Sport Heft 20/1969, ab Seite 49 - Besuch bei Autodelta - Test Alfa Romeo Tipo 33 Stradale
- Oldtimer Markt Heft 7/201, ab Seite 8 - Ferrari-Schreck Alfa 33 Stradale (Titelgeschichte)
- Classic and Sports Car, Heft 1/1999: Venus de Milano
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