“Berlina” bedeutet nicht mehr und nicht weniger als “Limousine”. Im Gegensatz zur Giulia erhielt der 1968 vorgestellte Viertürer keinen besonderen Namen und auch die Linienführung aus dem Hause Bertone war schlicht gehalten. Innen aber überzeugte die grosse Schwester der Giulia mit viel Platz und mehr Komfort, ohne an Sportlichkeit wesentlich einzubüssen.
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Im Januar 1968 wurde die Modellreihen-Ergänzung bei Salerno der Presse vorgestellt. Im Zentrum stand dabei der auf 1779 cm3 erhöhte Hubraum des bewährten Zweinockenwellen-Vierzylinders, der auch im Coupé (Giulia Sprint) und Spider (Duetto) zum Einbau kam. Zwar gab es bereits eine grosse Limousine namens OSI 2600 Berlina de Luxe, diese wurde aber nur in kleinen Stückzahlen für vermögende Kunden gebaut, während man bei Alfa Romeo mit der neuen Berlina 1750 eher auf anspruchsvolle Giulia-Besitzer mit erhöhten Platz- und Komfortbedürfnissen zielte.
Klingender “Name”
Mit der Bezeichnung “1750” wollte man bei Alfa Romeo an die erfolgreichen Vorkriegsbaureihen 6C 1750 erinnern, die es damals bereits als Limousine (1750 Turismo) und Sportwagen gab.
Eigentlich hätte die Bezeichnung angesichts der Motorgrösse ja eher “1800” lauten müssen. Während das Coupé Giulia Sprint, nun 1750 GTV genannt und der 1750 Spider Veloce optisch kaum von ihren 1600-er-Vorgängern unterschieden, war der Viertürer komplett neu.
Zurückhaltendes Design
Man wollte allerdings bei Alfa Romeo nicht von einem wirklich neuen Auto sprechen, eher von einer vergrösserten Giulia. Trotzdem hatte man sich an Meister Bertone gewandt, um optisch neue Akzente zu setzen und tatsächlich unterschied sich die Berlina denn auch deutlich von der Giulia. Der Radstand war um sechs Zentimeter auf 2,57 Meter gewachsen, die Überhänge vorne und hinten wuchsen um 11,3 und 6,7 Zentimeter, was eine Gesamtlänge von 4,39 Meter ergab. Die Bertone-Zeichner verzichteten auf Ornamente und setzten ein klassisches Vieraugen-Gesicht als Front ein. Auch das Heck wirkte deutlich glattflächiger als dasjenige der Giulia. Eine klassische und zeitlose Limousine war entstanden.
Die Automobil Revue schrieb in ihrer Berichterstattung zum Brüsseler Salon, an dem der Wagen im Januar 1968 der Öffentlichkeit offiziell vorgestellt wurde:
“Der Besuch der Berlina im Kosmetiksalon von Bertone hat ihr gut getan. War die Giulia-Limousine in ästhetischer Hinsicht nicht überdotiert, so präsentiert sich die Berlina 1750 ebenso verlockend, wie es in ihrer Klasse die sportlichen Alfas tun, die ja bekanntlich als Traumautos so manchen Fahrers gelten.”
Mit den Genen der Giulia
Technisch waren sich Giulia und Berlina 1750 sehr ähnlich. Abgesehen vom vergrösserten Motor, der durch hauptsächlich durch Anheben des Hubs entstanden war, aber weiterhin auf die beiden doppelten Weber-Horizontalvergaser und ein unverändertes Kompressionsverhältnis von 9:1 baute und damit 132 SAE-PS entwickelte, gab es kaum technische Unterschiede zwischen den beiden Limousinen-Schwestern. Weiterhin waren vorne übereinanderliegende Querlenker und hinten eine Starrachse mit Dreiecksquerlenkern und Längsschubarmen für die Radführung zuständig.
Stabilisatoren sorgten rundum für eine möglichst geringe Seitenneigung, gebremst wurde mit leicht grösseren Scheiben. Die Raddurchmesser war von 15 auf 14 Zoll reduziert, die Felgenbreite von 4,5 auf 5,5 Zoll vergrössert worden. Wachstum und zusätzlicher Komfort führten zu einem 70 kg grösseren Gewicht von 1110 kg.
Mehr Komfort
Komplett neu gestaltet wurde der Innenraum. Bequeme Sitze vorne und eine Sitzbank hinten, die durch eine herunterklappbare Lehne in Einzelsitze aufgeteilt werden konnte, erlaubten das Unterbringen von bis zu fünf Personen. Das Armaturenbrett war hinsichtlich neuer Sicherheitserkenntnisse konzipiert worden und zeigte Tacho und Drehzahlmesser vor dem Fahrer, Zusatzinstrumente in der Mittelkonsole. Der Kofferraum war zwar verlängert worden, wies aber wegen der geringeren Bauhöhe weiterhin 480 Liter Fassungsvermögen auf.
Die 1750 Berlina war ein gelungener Wurf, dies bestätigte auch die Automobil Revue anlässlich ihres Kurztests im Jahr 1968:
“Mit dem Typ 1750 bringt Alfa Romeo ein preiswertes Fahrzeug auf den Markt, das im Vergleich zu seinem Schwestermodell Giulia die neue Alfa-Tendenz, den allmählichen Abbau der sportlichen Härte, weiterführt und hinsichtlich Zusammenspiel von Komfort, Fahrverhalten und Leistung eine geglückte Synthese verkörpert.“
Die Zeitschrift Auto Motor und Sport verglich den Alfa 1750 Ende 1969 mit dem Mercedes-Benz 200, dem Auto 100 LS, dem Ford 26M, dem Opel Commodore und dem BMW 2000. Der Alfa gewann die Motorwertung und wurde knapp hinter dem Audi Zweiter bei der Fahrsicherheitswertung, was ihm insgesamt den dritten Platz einbrachte, preisbereinigt wäre es sogar der zweite Platz gewesen.
Aufstockung nach vier Jahren
Über 100’000 1750 Berlinas wurden bis 1971 gebaut, dann erschien eine aufgefrischte stärkere Version der viertürigen Limousine, genannt 2000 Berlina. Im Juni 1971 wurde die neue Modellreihe 2000 präsentiert. Ein weiteres Aufbohren des 1,8-Liter-Motors war nicht mehr möglich gewesen, daher musste der Leichtmetall-Vierzylinder in erheblichen Teilen neu konstruiert werden. Ein neuer Block mit grösseren Zylinderachsenabstand, ein Hubraum von 1962 cm3 (Bohrung/Hub 84 mm/88.5 mm), eine geänderte Kurbelwelle und eine angepasste Vergaserbestückung (Solex, Dell’Orto oder Weber) ergaben nun 150 SAE-PS, respektive ungefähr 131 DIN-PS.
Der neue Motor wurde gleich auch als Anlass genommen, das Äussere der Limousine sanft anzupassen. Die Scheinwerfer waren nun alle gleich gross, der Alfa-Schild breiter und der Kühlergrill mattschwarz. Neu gezeichnete Stahlräder oder die filigranen Leichtmetallräder des Montreal sowie leicht modifizierte Heckleuchten rundeten die Aussenerscheinung ab.
Innen wurden die Vordersitze überarbeitet und das Layout des Armaturenbretts angepasst, die Instrumente besassen nun helle anstatt schwarze Zifferblätter. Choke und Handgaszug (!) wurden besser erreichbar platziert und als Sonderzubehör gab es nun auch elektrische Scheibenheber.
DM 13’490 kostete der Alfa Romeo 2000 in Deutschland, 16’450 Franken waren es in der Schweiz. Dies war etwas teurer als der Vorgänger, aber immer noch günstiger als ein BMW 2002 Tii, während der Opel Commodore etwas günstiger war.
Für Fahrernaturen
Die Autotester freuten sich natürlich über den Leistungsschub, der Sprint von 0 bis 100 km/h lag nun in 9,5 Sekunden drin, als Höchstgeschwindigkeit wurden 195 km/h notiert. Dabei hielt sich der Durst in Grenzen, 10 bis 11 Liter waren es bei ruhiger, 13 bis 14 Liter pro 100 km bei sportlicher Fahrweise. Kritisiert wurde allerdings die doch recht straffe Federung, die eindeutig in Richtung Sportlichkeit und nicht Komfort zeigte. Auch die Motorenmelodie gefiel und der Innenausbau der Limousine befriedigte auch anspruchsvolle Naturen.
Die Automobil Revue fasste ihre Eindrücke folgendermassen zusammen:
“Der Alfa Romeo 2000 erwies sich als echtes Gebrauchsfahrzeug mit sportlichen Fahreigenschaften im besten Sinn, das sich mit seinem starken Zweilitermotor nicht nur mit hohem Tempo auf der Autobahn, sondern ebenso im Bummel- oder Stadtbetrieb angenehm bewegen lässt. Er spricht da- her nicht nur Liebhaber hoher Leistungsreserven, sondern auch ruhigere Fahrernaturen an, die sich von der soliden Bauart und der unaufdringlichen, schlichten Karosserie angesprochen fühlen.“
Nur neun Jahre und ohne direkten Nachfolger
Bis 1977 wurde die Berlina gebaut, dann war nach fast 90’000 Zweiliter-Varianten Schluss. Bereits 1972 hatte man ihr die ähnlich dimensionierte, aber mit Transaxle-Layout konzipierte Alfetta gegenübergestellt und diese Parallelität konnte nicht ewig gut gehen.
Während die Alfetta im Alfa 90 weiterlebte, starb die klassische Architektur (Motor/Getriebe vorne, Antrieb hinten) mit der Giulia 1978 im Alfa-Limousinensektor. Einen wirklichen Nachfolger der Berlina gab es nicht und mancher Fan trauerte ihr noch lange nach.
Kompakter Sportwagen für die Familie
Weniger als 4,4 Meter Länge und nicht einmal 1,57 Meter Breite lassen die Berlina heute im Kreise der 4,5- bis 5-Meter-Limousinen deutlich kompakter erscheinen, als sie damals empfunden wurde. Die glattflächige Karosserie wirkt fast ein wenig unauffällig, doch das klassische Alfa-Rot lässt sie strahlen. Mühelos gelangt man über die grossen Türen ins Innere und setzt sich auf die bequemen Sitze.
Der Zündschlüssel findet seine Ausgangsposition rechts vom Lenkrad, ein Dreh lässt den Vierzylinder problemlos starten und schon ist es da, dieses typische Alfa-Röcheln. Der Schalthebel führt noch ohne Umwege ins Getriebe und die fünf Gänge, angeordnet im üblichen “H”, lassen sich aus dem Handgelenk sortieren.
Allzu viel Schaltarbeit ist auch gar nicht nötig, denn der Motor bietet Kraft aus allen Drehzahlen. Die Rundumsicht ist von allen Sitzen her gut, selbst die Passagiere hinten geniessen genügend Freiraum, an Gepäckraum mangelt es sowieso nicht.
Nur bezüglich Prestige kann die Berlina nicht mit der Giulia konkurrieren und dies schlägt sich auch auf die Preise nieder, wo der grössere Wagen deutlich wohlfeiler daherkommt als seine kleine Limousinenschwester. Vielleicht ist die Berlina deswegen ein Geheimtip …
Wir danken der Touring Garage für die Gelegenheit, den Alfa Romeo 2000 als Berlina erleben zu dürfen.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 3 / 1968 vom 18.Jan.1968 - Seite 39: Neue Typenreihe Alfa Romeo 1750
- AR-Zeitung Nr. 4 / 1968 vom 25.Jan.1968 - Seite 3: Brüssels Autosalon 1968
- AR-Zeitung Nr. 21 / 1968 vom 02.Mai.1968 - Seite 33: Kurztest Alfa Romeo 1750 Berlina
- AR-Zeitung Nr. 28 / 1971 vom 24.Jun.1971 - Seite 17: Die neuen Alfa Romeo 2000
- AR-Zeitung Nr. 42 / 1971 vom 30.Sep.1971 - Seite 17: Kurztest Alfa Romeo 2000 Berlina
- Auto Motor und Sport Heft 26/1969, ab Seite 42: Vergleichstest Alfa Romeo 1750, Audi 100 LS, BMW 2000, Ford 26M, Mercedes 200, Opel Commodore (Teil 2 im Heft 1/1970)
- Auto Motor und Sport Heft 15/1971, ab Seite 26: Test Alfa Romeo 2000
- Auto Revue Heft 11/1971, ab Seite 20: Alfissima - Test Alfa Romeo 2000 Berlina
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Alfisti geworden. Leider kam ich mit dem klapprigen Charren aber gar nicht klar und fühlte mich darin unsicher. Nach der RS wurde dann halt ein gebrauchtes Opeli Ascona 19 SR die Erste. Mit so einem war Walter Röhrl Rallye- (Welt-) Europameister geworden!:)
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