Die umfangreiche Kollektion von Opelfahrzeugen der Brüder Martin und Josef Degener mit dem Schwerpunkt auf Fahrzeuge der 1950er- bis 1980er-Jahre (vgl. dazu Zwischengas-Jahresmagazin 2018, S. 56 ff) ist vom münsterländischen Vreden nach Vogelsang in der Nordeifel umgezogen. Für einen Besuch des neuen Museums im Nationalpark Eifel sollte man hinreichend Zeit einplanen, weil es doch etwas abgelegen ist.
Die Wanderer auf dem Fernwanderweg "Eifelsteig" kommen dort zwangsläufig vorbei; dem historisch Interessierten ist vielleicht der Terminus "Forum Vogelsang IP" schon begegnet, wobei "IP" für "Internationaler Platz" steht. Dahinter verbirgt sich ein rund 100 Hektar großes Areal oberhalb eines Sees mit weitem Panoramablick. Der Ort ist historisch vorbelastet. Denn die Burg Vogelsang ist eine von drei ehemaligen sog. NS-Ordensburgen, die mittelalterlichen Burgen nachempfunden sind. Sie wurde 1934 von den Nationalsozialisten in der Einsamkeit der Nordeifel errichtet, um dort spätere Führungskräfte linientreu zu schulen.
Nach dem Krieg wurde das Gelände zunächst als britischer, danach bis 2005 belgischer Truppenübungsplatz genutzt. In der Folgezeit wurde die Bausubstanz des denkmalgeschützten Ensembles sukzessive einer modernen Nutzung zugeführt, insbesondere wurde ein Besucher- und Ausstellungszentrum errichtet. Nach dem Passieren der Schranke erreicht der Autofahrer zunächst das vor der Burg liegende dreiflügelige sog. Malakoff-Gebäude.
So begann die Reise der Familie Degener
Im Jahre 2019 hat die Familie Degener Teile dieses Gebäudes erworben, um es behutsam umzubauen und ihre Autosammlung in einem "Degener-Oldtimer-Museum" (DOM) unterzubringen. Der gesamte Komplex des DOM hat eine Grundfläche von 34'000 Quadratmetern und besteht aus dem Fahrzeughof (mit einem 2100 Quadratmeter grossen Innenhof), dem Malakoff-Ostflügel mit aufstehenden Gebäuden nebst einem 100 Meter langen Arkadengang sowie einer ehemaligen Kapelle. Kurzum: hier gibt sehr viel Platz für die Opel der Brüder Degener, museale Enge ist wahrlich nicht zu beklagen.
Der Berichterstatter hatte anlässlich des Tages der offenen Tür die Gelegenheit, das neue Museum schon jetzt zu besuchen und freundlicherweise von Josef Degener durch das DOM geführt zu werden. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: der Besuch dieses Opelmuseums ist nicht nur Freunden der Marke mit dem Blitz sehr zu empfehlen. Vorbei an einem Kassenhäuschen gelangt man in den Innenhof, wo Josef Degener seine Führung startet. Hier sind einige Fahrzeuge in recht unterschiedlichen Erhaltungszuständen untergebracht. Später soll man von der Mitte des Hofes direkt zu den im Untergeschoss ausgestellten Fahrzeugen gelangen können. Doch so weit ist es noch nicht. Überhaupt wird noch an verschiedenen Stellen des Museums gebaut. Ein denkmalschutzkonformer Umbau braucht eben seine Zeit.
Hier befindet sich eine Menge an Geschichte
Auf dem Hof erblickt der Berichterstatter einen viertürigen Corsa A GL mit Stufenheck. Das Auto war hierzulande seinerzeit nur mäßig erfolgreich, daher ist es heute sehr selten. Schmunzelnd erklärt Josef Degener, dass das Heck des Stufenheck-Corsa dem des Opel Senator stilistisch nachempfunden sei. Stimmt exakt, man muss nur darauf kommen! In einer anderen Hofecke stehen ein Opel Olympia und ein GT einträchtig bei einander. Kaum zu glauben, dass nicht einmal 30 Jahre diese beiden doch sehr unterschiedlichen Autos trennen.
In den angrenzenden Hallen findet sich eine Phalanx von Opel-Blitz-Nutzfahrzeugen, meist aus der Vorkriegszeit. Dabei fällt auf, dass die meisten Exponate mit Hinweisschildern in deutscher Sprache versehen sind. Bald soll jedes Fahrzeug so bezeichnet sein. Die Schilder informieren den Besucher über die Bauzeit, die Stückzahl, den Motor, den Hubraum, die Höchstgeschwindigkeit, den damaligen Neufahrzeugpreis und sonstige Besonderheiten des Fahrzeugs. Neben den "Blitzen" findet sich auch eine weitere Rarität, die allerdings kein Opel ist: ein Gutbrod Standard Dreirad mit Einzylinder-Zweitaktmotor, wie es von 1935 bis 1939 gebaut wurde. Das Vehikel konnte während des Krieges steuer- und führerscheinfrei betrieben werden.
Eine weitere Halle beherbergt eine KFZ-Werkstatt, in der der man den Unterboden eines Fahrzeugs auf einer Hebebühne begutachten kann. Besser gesagt: man kann durch ihn hindurchsehen. Der Ausdruck "löchrig" wäre untertrieben. "Der ist so schlecht, dass sich eine Restaurierung nicht mehr lohnt", sagt Degener. Wie der restaurierte Fahrzeugboden stattdessen aussehen sollte, zeigt ein Pendant am Boden. In einer weiteren Halle befinden sich Cabriolets, fast alle mit Folien abgedeckt. Neben einem Ascona-C-Cabriolet von Keinath lassen sich unter der Verhüllung ein Opel Speedster und ein Rekord-Cabrio von Deutsch ausmachen.
Weiter geht es in die Abteilung "Fahrschule". Dass die Familie Degener neben der Opelvertretung auch eine Fahrschule betrieb, wird mit Liebe zum Detail dokumentiert. In einem nachgestellten Fahrschulraum ist ein Rekord P1 als Fahrschulwagen zu sehen; an der Wand hängt ein grosses Bremsenmodell. Dem schliesst sich ein Höhepunkt des Museums an: die "Kapitänhalle". Umgeben von Orientteppichen erwarten den Interessierten hier alle Nachkriegsmodelle des Opel Kapitän: Vom Baujahr 1948 über den '58er "Schlüsselloch-Kapitän" bis zur KAD-Baureihe nebst einem Bitter SC Coupé findet sich alles. Ein '68er Diplomat scheint mit einladend geöffneter Fahrertür nur darauf zu warten, dass jemand seinen V8 zum Leben erweckt. Demnächst wird sich noch eines der ultraseltenen Diplomat-Coupés dazugesellen.
Durch einen Gang gelangt man in eine weitere grosse Halle, die den Mittelklassemodellen Olympia und Rekord gewidmet ist. Auch hier findet man einfach alle Varianten der 1950er- und 1960er-Jahre. Besonders erwähnt werden sollen die "Schnell-Lieferwagen". Das sind Lieferwagen-versionen des Rekord Caravan, die insbesondere in Skandinavien verbreitet waren. Bemerkenswert ist ein Exemplar, welches trotz fehlender hinterer Seitenverglasung eine Rücksitzbank hatte. Auch die Bandbreite des Opel Rekord P1 wird im DOM lückenlos veranschaulicht. Während die exklusiv für die Schweiz von GM Suisse in Biel gebaute Luxusausgabe des Rekord, der Rekord Ascona, das obere Ende der Skala markiert, findet sich an deren unterem Ende das extrem karge Sparmodell Olympia ohne jeden Chromschmuck. Nicht einmal "Rekord" durfte es damals heissen. Angesichts der seinerzeit angesagten Opulenz konnte diesem Modell kein Erfolg beschieden sein, sodass es schnell durch den Opel 1200 ersetzt wurde, welcher an seiner leicht gebogenen seitlichen Chromzierleiste erkennbar ist und der die Zeit bis zum Erscheinen des Kadett A überbrücken sollte.
Weiterhin beherbergt des Museum eine "Vorkrieghalle". Hier fällt ein stattlicher dunkelblauer Admiral von 1939 mit Sechszylinder-Motor und 3,6 Litern Hubraum sofort ins Auge. Josef Degener kommentiert: "Die wurden vom Militär für die Generalität beschlagnahmt und blieben dann einfach in Russland stehen. Dort wurden sie aber weiter genutzt. Dieses Exemplar stammt aus Litauen und wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bei uns in Zahlung gegeben." Daneben sind u. a. ein Opel P4 und ein Opel 6 ausgestellt. In diesem Raum finden sich überraschenderweise zwei Fremdfabrikate: Ein Ford T von 1918 und ein DKW F8.
Man darf gespannt sein
Zum Ende des Rundgangs gibt es noch eine Überraschung: die Kadettkirche, pardon, die "Malakoff-Kapelle". Dieses sakrale Gebäude wurde förmlich entweiht und kann nun also profanen Zwecken dienen. Hier können künftig Treffen und Events stattfinden. Auch dieser Raum ist mit Teppichen ausgestattet. Dort stehen neun Exemplare des Kadett A, darunter ein schmuckes Coupé mit rot-schwarzer Lackierung. Diese Kombination war seinerzeit sehr beliebt, was man auch heute noch gut nachvollziehen kann. Jedoch fragt man sich, weshalb hier ausgerechnet die Kadetten eine Bleibe gefunden haben. Die Antwort ist simpel. Da aus Gründen des Denkmalschutzes die Türen der Kapelle nicht verbreitert werden durften, passte nur ein schmales Modell durch – und das war eben der Kadett A.
Zum Zeitpunkt unseres Museumsbesuchs waren etwa 150 Autos ausgestellt. "Es kommen aber noch mehr Fahrzeuge dazu, insbesondere aus den neueren Baujahren", versichert Josef Degener. Darauf darf man gespannt sein. Auch wenn das DOM also noch nicht ganz vollendet ist, der Dom in Köln ist es ja auch nicht wirklich. Zweifellos ist das sehenswerte Opel-Museum der Degeners aber automobilhistorisch bedeutsam.
Wie eingangs erwähnt, fährt man nicht mal so eben nach Vogelsang; dazu ist die Lage zu dezentral. Man sollte sich also Zeit nehmen und vielleicht als Tagesausflug den Besuch des DOM mit einer erholsamen Eifelwanderung und nicht zuletzt mit der Erkundung des historisch wichtigen Vogelsang IP verbinden.
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Rainer