Am Nachmittag des 2. Juli 2022 organisierte Artcurial anlässlich der "Le Mans Classic" eine Versteigerung, die sich über fast fünf Stunden hinzog. Ganz so kauffreudig wie erhofft zeigten sich die Besucher der Rennveranstaltung (und die Internet- und Telefonbieter) dabei nicht.
Bei der Auktion, die am Samstagmittag um 14:00 Uhr begann und somit parallel zum Rennbetrieb auf der Rundstrecke in der Sarthe ablief, blieb ein knappes Drittel der angebotenen Autos stehen, wenn auch knapp. 96 der 137 Lose konnten für insgesamt 11,4 Millionen Euro verkauft werden. Dass viele teurere Autos stehen blieben, zeigt sich daran, dass man damit deutlich unter den summierten gemittelten Schätzwerten von EUR 20,1 Millionen blieb. Im Schnitt wurden die Autos bei 89 Prozent ihres gemittelten Estimates zugeschlagen. Der durchschnittliche Verkaufspreis kam bei fast 118'500 Euro zu stehen.
Umkämpfte Scheunenfunde
Ausreisser gab es vor allem bei den Edel-Klassikern aus der Sammlung Pierre Héron. Bis auf fünf Ausnahmen erzielten die 24 staubigen Schönheiten alle ihren Schätzpreis und übertrafen ihn teils deutlich.
Der Delahaye 148 L Berline Letourneur et Marchand von 1951 brachte mit 18'560 Euro sogar mehr als das Dreifache.
Ein Talbot Lago Record T26 Berline und ein Salmson 2300 S konnten ihre Schätzung immerhin verdoppeln und fanden für 30'160 beziehungsweise 11'600 Euro einen neuen Eigentümer.
Wie begehrt die französischen “Scheunenfunde” aus der Héron-Sammlung waren, zeigten auch die fünf Hotchkiss-Grégoire. Trotz des grossen Angebots ging keine der schrulligen Frontantriebs-Limousinen für weniger als den mittleren Schätzwert weg. Die drei teuersten erzielten jeweils 9280 Euro. Der günstigste Grégoire war mir 2320 Euro auch gleichzeitig das günstigste (verkaufte) Auto der Auktion.
Eindrücklich setzte sich auch einer der wenigen gebauten Tracta-Grégoire Sport, zumal als Coupé einmalig, in Szene, indem er seinen Schätzwert mit einem Verkaufspreis von 150'800 Euro fast verdoppelte, obwohl dieses Auto dem neuen Besitzer noch viel Arbeit bescheiden dürfte.
Der wertvolle Maserati Rennsportwagen
Den mit Abstand höchsten Preis erzielte ein Auto, das verspätet eingeliefert wurde und deshalb in der Zwischengas-Auktions-Ankündigung noch gefehlt hat: ein Maserati A6 GCS/53 "Fiandri Spyder" von 1954, der mit 3'340'000 Euro als einziger mehr als eine Million erzielte.
Doppelt so teuer wie erwartet wurde der Formel-1-Motor Renault EF 15 von 1985 aus der Werkssammlung. Mit 191'400 Euro war er teurer als die meisten vollständigen Autos und das zehnt-teuerste Los der Versteigerung.
Der Renault Laguna BTCC für 104'400 legte immerhin noch einmal die Hälfte des Schätzwertes obendrauf.
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Einige Enttäuschungen
Trotz vieler hoher Verkaufspreise blieben jedoch die vier teuersten Autos mit ein wenig Sicherheitsabstand unter dem Schätzpreis.
Erst der Delahaye 135 M Cabriolet "El Glaoui" von Figoni & Falaschi an fünfter Stelle konnte das Estimate übertreffen. Mit 348’000 Euro ging das patinierte Cabriolet sogar für 71 Prozent mehr weg als ursprünglich erwartet.
Der Mercedes-Benz 300 SL Roadster von 1958 verfehlte den siebenstelligen Bereich nur knapp mit 997’600 Euro. In einer etwas ungewöhnlicheren Farbkombination hätte er vielleicht die Millionenhürde überwunden.
Gute Preise erzielten auch ein Frazer Nash-BMW 328 und ein Aston Martin DB4 für 522'000 beziehungsweise 498'800 Euro.
Die anderen beiden im Vorfeld auf mehr als eine Million Euro geschätzten Autos blieben stehen. Der Porsche 935 L1 "Baby" erzielte ein Höchstgebot von 900'000 Euro und damit nur 62 Prozent des mittleren Schätzwertes.
Alain Prosts Renault RE40 von 1983 aus der Renault-Sammlung war den Bietern maximal 720'000 Euro wert, was 72 Prozent des mittleren Schätzwertes entsprach und dem Einlieferer zu wenig war.
Auch günstige Autos
Insgesamt blieben zwölf Lose unter 10'000 Euro.
Darunter auch der Teilhol Tangara mit Citroën-Technik, der mit 9280 Euro solide 80 Prozent des Schätzmittels erreichte.
Diesen Prozentwert erzielte auch der Triumph TR5 mit leider etwas verkitschtem Interieur, der einem Bieter immerhin 29'000 Euro wert war. Das zweifellos bessere Geschäft hat der Käufer des unrestaurierten TR4 für 13'920 Euro und 60 Prozent des Estimates gemacht.
Superklassiker ohne Käufergunst
Vermeintliche "Selbstläufer" waren in Le Mans wenig gefragt: Von den fünf angebotenen Jaguar E-Type (zwei Coupés und drei Cabriolets) blieben drei unverkauft; ebenso wie drei der vier Porsche 911 aus den Sechzigern. Der einzige von ihnen, der einen neuen Besitzer fand, ein 911 S von 1969, brachte 122'960 Euro.
Die beiden Jaguare – ein Cabriolet der Serie 1 und eines der Serie zwei – brachten 91'640 und 92'800. Interessant ist hierbei, dass die vermeintlich unbeliebtere Serie 2 teurer war als das 1963er Modell in einer deutlich attraktiveren Farbkombination, wenn auch nur knapp.
Dass massentaugliche Klassiker wie Porsche 911 und Jaguar E-Typ trotz der hohen Besucherzahl kaum Käufer fanden, lässt Rückschlüsse auf das Publikum zu. Vermutlich sind Rennbesucher und die Freunde von Scheunenfunden nur schwierig mit Superklassiker-Interessenten zu vereinigen.
Dafür fanden Spezialitäten auf offenes Gehör: Teurer als die meisten zeitgenössischen Zugfahrzeuge war ausserdem der Airstream Globe-Trotter von 1950. Seine 102'080 Euro haben Cadillac-Eldorado-Niveau. Die Seltenheit und der gute, originalgetreue Zustand liessen den Schätzpreis schnell überwinden.
Angebotene und verkaufte Fahrzeuge
Die folgende Tabelle listet alle angebotenen und verkauften Fahrzeuge mit Schätzpreisen, Höchstgeboten und Verkaufspreisen. Die Preis-Umrechnung erfolgte zum am Auktionstag gültigen Tageskurs. Alle Angaben ohne Gewähr.
Lot | Fahrzeug | Jahr | EUR Est von | EUR Est bis | EUR HG | EUR VP | CHF VP | % Est | S |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
101 | Salmson 2300S | 1955 | 4000 | 6000 | 10'000 | 11'600 | 11'600 | +132%
|
V |
102 | Hotchkiss 686 S49 Gascogne | 1950 | 10'000 | 15'000 | 4000 | 4640 | 4640 | -62.88%
|
V |
103 | Talbot Lago Record T26 berline | 1947 | 10'000 | 15'000 | 26'000 | 30'160 | 30'160 | +141.28%
|
V |
104 | Delahaye 135 MS Coach par Guilloré | 1938 | 30'000 | 40'000 | 35'000 | 40'600 | 40'600 | +16%
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V |
105 | Delahaye 148 L cabriolet trois positions par Chapron | 1939 | 60'000 | 80'000 | 74'000 | 85'840 | 85'840 | +22.63%
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V |
106 | Delahaye 135 M cabriolet Luxe par Chapron | 1950 | 50'000 | 70'000 | 71'000 | 82'360 | 82'360 | +37.27%
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V |
107 | Delahaye 135 M Cabriolet " El Glaoui " par Figoni & Falaschi | 1948 | 150'000 | 200'000 | 300'000 | 348'000 | 348'000 | +98.86%
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V |
Alle Angaben ohne Gewähr
Legende: Spalte S = Status (V = Verkauft, N = Nicht verkauft, Z = Zurückgezogen, U = Unter Vorbehalt)
Est = Estimate/Schätzwert, HG = Höchstgebot, VP = Verkaufspreis